Den Boden bereiten
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Haus Michael in Weißenseifen hielt Martin von Mackensen, Künstler, passionierter biologisch-dynamischer Landwirt am Dottenfelder Hof und Dozent, am 2. September 2023 einen begeisterten und eingängigen Vortrag über den Boden. Mir wurde klar, wie erhellend sich diese Zusammenhänge auf den sozialen Boden einer Organisation übertragen lassen. Ich möchte Sie zu diesem Vergleich mitnehmen und auf die Zeitgestalt der „Bodenverbesserung“ im Sozialen hinweisen.
Bedingungen
Als erstes seien da die Bedingungen, so von Mackensen, der bestimmte Ort selbst, die natürlichen Gegebenheiten, vor allem die Gesteinsgrundlage, unverwechselbar und typisch für diesen besonderen einen Ort.
Substanzbildung
Durch all die Pflanzen, die durch ihr Aufkeimen und ihren Verfall den tatsächlichen Humus, die Erdkrume geschaffen haben, entstehe die Substanzbildung, dasjenige worauf es ganz besonders für einen gesunden Boden ankomme.
Zusammenhänge
Tiere versorgten durch ihr Leben und Weben, durch ihre Bewegungen und ihren Nahrungskreislauf dasjenige, was von Mackensen Zusammenhänge nennt, das Durcharbeiten, in Verbindung bringen in mannigfaltigen, sich durchdringenden Kreisläufen.
Impuls
Die vierte Ebene sei die menschliche, das Wachsen und Gedeihen selbst könne der Mensch nicht bewirken, das müsse die Natur selbst schaffen. Die menschliche Ebene sei der Impuls, in diesem Fall des Landwirts, der gesunde Prozesse durch sein Eingreifen in die Natur ermögliche.
Luft und Wasser
Martin von Mackensen wies besonders darauf hin, dass gesunder, lockerer Boden nicht 100 % Boden sei, sondern nur zur Hälfte, die zweite Hälfte sei entweder von Luft oder von Wasser in den Poren durchdrungen.
Organisationsbegleitung
In der Organisationsbegleitung geht es um den sozialen Boden und darum, was der Einzelne und die Gemeinschaft benötigen, um sich im Sinne des Auftrags der Organisation ausrichten, um wirken und wachsen zu können. Wie lassen sich nun die Bedingungen, Substanzbildung, Zusammenhänge und Impulse im Sozialen wahrnehmen?
Genius Loci oder die Lebensbedingungen
Sich einfühlen zu können in die Wirkungsbedingungen im Sozialen, heißt nicht nur Ort und Landschaft, Architektur, Gestaltung und Pflege der Organisation wahrzunehmen, sondern auch der Kontakt zu jedem Einzelnen, die Sichtung vieler Dokumente, sich mit der Sprachgestalt vertraut zu machen ganz im Sinne eines umfassenden Sensing.
Soziale Substanz oder die Wirkungsbedingungen
Was also sind die Ablagerungen, die den sozialen Boden bilden? Es ist die Summe aller Gedanken, Worte und Taten, die in der Organisation von Anfang an stattgefunden haben. Diese bilden einen nährenden, einen zehrenden oder vielleicht auch einen neutralen sozialen Boden. Sie können sich zu Haltungen und Haltlosigkeiten, zu Empfindungen und Empfindsamkeiten, vielleicht zu Wunden und Verwundbarkeiten über Jahre oder auch Jahrzehnte verwoben und vielleicht sogar verdichtet haben. Diese Kommunikationsgestalt, das Reden über, das Denken über, bildet den sozialen Boden. Anschaulich erklärte von Mackensen wie die Pflanze Erde bilde, wenn man einen gleichsam in den Wind gewachsenen Keimling an einer Feldwand sehe, in dessen in die Luft ragenden Würzelchen sich Erde gebildet habe. So kann man sich vorstellen, dass jedes gesprochene Wort schon substanzbildend für den sozialen Boden ist und vor allen Dingen gewesen ist.
Impulse geben in eine Gemeinschaft
Im Feedback der Freien Schule Rügen, auch ein Blogartikel, schreibt Peggy Scott: „… dass sich konstruktiv entwickelt, was man in ein Gefüge einstreut“. Diese konstruktive Entwicklung ist kein Selbstläufer, sondern sie hängt stark davon ab, ob der soziale Boden nährt und günstige Wachstumsbedingungen schafft oder nicht. Damit hängt besonders eine Kultur der Wertschätzung zusammen. Auch dies machte von Mackensen deutlich, als er beschrieb, wie Blumen als Geschenk der Anerkennung ein Bild für das sich nach oben entgegen der Schwerkraft Aufrichten und Ausrichten nicht nur der Pflanze, sondern auch des Menschen seien. Es kann sein, dass kurze Impulse nicht ausreichen, dass weder ein Jahr, noch drei Jahre (punktuelle Begleitung) genügen, sondern dass der Prozess der Bodenverbesserung vielleicht sieben lange bewusste Jahre dauern könnte. Dann werden sich möglicherweise ausreichend beflügelnde Gedanken, Worte und Taten abgesetzt haben, um alle, auch die „Geringsten“, in dieser Organisation aufzurichten und zu nähren.
Klarheit und Wärme
In den Poren des sozialen Bodens, kann man sich vorstellen, sammelt sich Klarheit, eine sichere verlässliche Struktur der Leitung, der Prozesse und der Kommunikation und Wärme im zugewandten, herzlichen und dankbaren Umgang miteinander.